Wirtschaft neu denken: Entrepreneurship Summit 2019

„Wir brauchen eine Opposition! Wir können auch anders.“ Worte aus der Eröffnungskeynote von Prof. Dr. Günter Faltin, die das Motto des diesjährigen Entrepreneurship Summit 2019 unterstreichen: „Wir können Ökonomie besser.“ Im Kern gehe es darum, das, was wir als Gesellschaft benötigen, besser zu machen. Und sich nicht zu fragen, was es noch nicht gibt.
Auch die zweite Rede von Prof. Michael Braungart beschäftigt sich mit wirtschaftlich nachhaltigeren Vorgehensweisen. Der Pionier der Kreislaufwirtschaft („Digitalisierung ohne Cradle to Cradle ist Blödsinn“) befürwortet vor allem Effektivität statt Effizienz. Anhand zahlreicher Beispiele aus dem Alltag wie kompostierbaren Papiertaschentüchern erklärt er, wie schon eine sinnvolle Produktion zu einem besseren Ergebnis beiträgt und nennt dabei drei entscheidende Faktoren: Qualität, Schönheit und Innovation.
Faltin setzt für eine zukunftsfähigere Wirtschaft beim Herstellungsprozess an. Während aktuell das Marketing den Großteil der Ausgaben bei einem Produkt ausmacht, fordert er einen „Pakt mit dem Hersteller“, um das „Dinosaur Marketing“ zu verändern. Es müsse mehr Geld in die Herstellung gesteckt werden, zum Beispiel für eine bessere Haltbarkeit der Produkte.
„BWL: Blenden, Wuchern, Lamentieren“
Rund ein Dutzend Panels finden parallel statt. Die Selektion fällt dadurch wirklich schwer. Selten habe ich sie, hier dagegen schon: FOMO, die Befürchtung, etwas Wichtiges und Interessantes zu verpassen. Wie gerne würde ich mich an diesem Wochenende teilen können! Zumal die Speaker hochkarätig sind und von unterhaltend (Waldemar Zeiler, Einhorn Kondome) bis provokant (BWL: Blenden, Wuchern, Lamentieren; Prof. Christian Kreiß) allen 1.700 Besuchern etwas zu bieten haben. Richtig schade ist, dass Ali Mahlodji (whatchado) und Samuel Waldeck (SHIFTPHONES) kurzfristig absagen müssen.
1. Preis für „Kompass durch dick und dünn“

Julia Lüpfert gewinnt mit ihrem Spiel für Paare den Proof-of-Concept-Wettbewerb
Eine große Freude sind die mutigen Gründer, die auf der großen Bühne ihren Proof-of-Concept machen. Bei dem Wettbewerb stellen die Finalisten erstmals überhaupt ihre Produkte vor. Wer am gesamten Wochenende vor Ort den meisten Umsatz macht, gewinnt. Dieses Jahr setzt sich unter neun Teilnehmern Julia Lüpfert mit ihrem Gesellschaftsspiel „Kompass durch dick und dünn“ durch.
„Damit können Paare ihre vier wichtigsten Werte herausfinden, die ihre Beziehung ausmachen“, sagt Lüpfert mir. Wo im Alltag für „geile Gespräche“ keine Zeit bleibe, können die Paare in ein paar ruhigen Stunden ohne emotionalen Streit und mit Leichtigkeit ihre Beziehung reflektieren.
Lüpfert hat in den zwölf Monaten vor ihrem Auftritt an der Masterclass der Stiftung Entrepreneurship teilgenommen und dort an Idee und Produkt gefeilt. Eine Woche vor dem Summit war das Produkt druckfertig, einen Tag vorher im Verkauf. Die Sächsin konzentriert sich mit ihrer Marke „Julinga“ voll auf das Geschäftsmodell „Spiele zur Partnerschaftsentwicklung“.
„Den Kunden sagt das nur keiner“

Die Keynote von Finanztip-Gründer Hermann-Josef Tenhagen
„Dem Kunden zuhören!“ – das ist die Hauptmessage aus dem Vortrag „Ökonomischer Alphabetismus“ von Hermann-Josef Tenhagen. Der Verbraucherjournalist (15 Jahre Chefredakteur von „Finanztest“) und Macher von Finanztip, dem gemeinnützigen Ratgeber in Finanzfragen, sagt: „Mit Hilfe von Google und Analytic-Tools haben wir die Möglichkeit, systematisch herauszufinden, was unsere User wissen wollen, wie sie Inhalte dargestellt bekommen wollen und sie dann auch gezielt anzusprechen.“

1.700 Besucher beim Entrepreneurship Summit 2019 in Berlin
Welche konkreten Begriffe ihre Nutzer verwenden, sei für die Betreiber des Portals wichtig, weil diese sich von denen unterscheiden, die Finanzdienstleister und Experten verwenden. „Banken und Versicherungen wissen, dass ihre Kunden bestimmte Verträge nicht gebrauchen können. Den Kunden sagt das nur keiner“, so Tenhagen. Ganz im Sinne des Mottos der Veranstaltung wolle in diesem Fall finanztip.de diese klare Orientierung übernehmen.
„Man muss den Leuten Lösungen bieten, nicht den Problemaufguss“, sagt der 56-Jährige. „Gerade die 25- bis 50-Jährigen haben ihren Alltag voll mit anderen Dingen. Die wollen sich nicht intensiv mit etwas beschäftigen, das nicht zu ihrem Beruf gehört. Die wollen ihr Problem gelöst haben.“ Mit über 575.000 Newsletter-Abonnenten schreibt das Startup Finanztip sechs Jahre nach seiner Gründung beeindruckende Zahlen. „Der Newsletter ist auch ein Mittel, um aus der Filter-Bubble herauszukommen. Er bietet den Abonnenten Themen, von denen diese nicht einmal eine Idee davon hätten, danach zu suchen.“
Fazit: Der Entrepreneurship Summit ist immer wieder einen Besuch wert. Neben zahlreichen Möglichkeiten zum persönlichen Austausch auf dem Außengelände oder im Innenbereich bietet das bunte Programm bestehend aus Vorträgen, Pitches, Workshops und Büchertischen eine gelungene Mischung mit vielen Impulsen für das Publikum.