Große Töne, viel dahinter: Founder Summit 2019

5.000 Besucher: Die Haupthalle im RheinMain CongressCenter ist bis auf den letzten Stuhlplatz gefüllt. „Ich find’s geil, dass Hauptschüler in einer Universität aufgenommen werden.“ Ralf Dümmel, früher Hauptschulabsolvent, heute einer von zahlreichen Top-Unternehmern bei der Entrepreneur University, hat die Lacher schnell auf seiner Seite. Zum Start des europaweit größten Founder Summit 2019, einer von den Organisatoren Robin und Danny Söder initiierten Gründerplattform, bekennt er: „Ich habe noch nie vor so vielen Menschen gesprochen.“

5000 Zuschauer in der Haupthalle, kein Stuhlplatz mehr frei

Ausverkauft: Alle Sitzplätze belegt beim Entrepreneur University Founder Summit

Wer das Event in Wiesbaden besucht, spürt schon im Vorfeld amerikanisch angehauchten Spirit: Ankündigungen in Superlativen, Cheerleader und ein School Bus vor dem Eingang, das Veranstalter-Team in coolen College-Jacken und immer wieder dieser American Dream, der mitschwingt: vom Tellerwäscher zum Multi-Millionär, einst in einer verzwickten Situation, jetzt mega-erfolgreich.

„Ärmel hoch, Lampen an, auf dem Tisch getanzt“

Ralf Dümmel im Gespräch mit Moderatorin Sarah Elsser

Eröffnung in der Mainstage: Ralf Dümmel im Gespräch mit Moderatorin Sarah Elsser

Ralf Dümmel kommt bodenständig und sympathisch herüber. „Motivierte Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital von Unternehmen“, „Du hast als Chef nicht immer Recht“ und „Titel sagen nichts aus“ sind seine Aussagen. Auf die erste Publikumsfrage, wie er neue Mitarbeiter für sein Unternehmen DS-Produkte finde, antwortet er: „Wir haben ein Bewerbungskonzept ohne Zeugnisse. Der Mensch zählt. Einsatz und Kampfeswillen sind entscheidend. Ich weiß in Vorstellungsgesprächen nach fünf Minuten, ob das was wird. Wenn der Kandidat Excel nicht kann, kann er das lernen.“ So vernünftig war Dümmel nicht immer, erzählt er. Als Student sei sein Motto „Mit dem Dispo in die Disco“ gewesen, und er war der Typ „Ärmel hoch, Lampen an und auf dem Tisch getanzt.“ Sein Ziehvater und Mentor Dieter Schwarz habe ihn immer heruntergeholt.

Dümmel erlebt nicht nur hier, sondern auch in der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“ viele junge Gründer, die sehr motiviert und von ihrer eigenen Idee überzeugt sind. Kurz bevor er auf die Bühne geht, verrät er mir, worauf es für diese in der Selbstständigkeit ankommt: „Gerade für Startups gilt es, das richtige Maß zu finden: selbstbewusst sein und dabei nicht abheben. Und die Kosten im Griff haben.“ Worauf achtet er, wenn Gründer pitchen? „Auf das Menschliche: Der Vortrag darf nicht auswendig gelernt sein. Es ist völlig natürlich, wenn jemand nervös ist. Das zeigt, dass er für die Idee brennt.“ Selbst er habe vor seiner ersten Sendung als Juror und Investor nicht schlafen können. „Und Zahlen, Daten und Fakten sind wichtig: Wenn es um Wettbewerber geht, ist Know-how gefragt. Da muss ich mich als Gründer auskennen und konkret werden.“

Dropshipping als Zukunftsperspektive

Voller Eingangsbereich beim Entrepreneur University Founder Summit 2019

Ein voller Eingangsbereich und riesiges Interesse beim zumeist jungen Publikum in Wiesbaden

Kirill und Pepe sind extra aus Flensburg zum Event angereist und haben einen Zehn-Stunden-Trip mit Bahn und Mitfahrgelegenheit hinter sich. Das Samstagabend-Highlight, der Auftritt von Frank Thelen, gefällt den beiden Teilnehmern am besten. „Zahlen, Daten, Fakten – wie die Deutschen es lieben“, nennt Ingenieur Kirill als Grund, während Pepe besonders interessiert, was Thelen zu unserer Zukunft in den nächsten zehn bis 20 Jahren zu erzählen hat. „Aktuell arbeite ich fünf Tage die Woche als Bauhelfer in der Dachdecker-Firma meines Vaters.“ Viel lieber würde sich Pepe aber weiter mit E-Commerce beschäftigen, wo er mit Dropshipping bereits erste Erfolge erzielt hat. Als Zukunftsperspektive ein Handelsgeschäft ohne direkten physischen Kontakt mit der Ware.

„Ganz schön unheimlich“ findet Pepe die eigens aus Hongkong eingeflogene „Sophia the Robot“, ein humanoider Roboter mit besonders menschlichem Aussehen und Verhalten. Die Risiken und Schattenseiten der „Brave New World“. Was alles schon in wenigen Jahren möglich ist, verdeutlicht Iskender Dirik von Microsoft in seinem Vortrag. Dank Künstlicher Intelligenz wird ihm in Zukunft Online-Werbung für eine schwarze Brille angezeigt – von einem Fake-Model, das ihm erstaunlich ähnlich sieht. Woher das AI-System (artificial intelligence) weiß, dass Dirik Brillenträger ist? Weil ihn Youtube-Videos und Instagram-Bilder bei öffentlichen Auftritten mit einer eben solchen schwarzen Brille zeigen. Verrückt!

Ein Markt, den die USA nicht dominieren

Der Founder Summit ist eine gute Mixtur

  • aus Speeches hochkarätiger Redner mit der unkomplizierten Möglichkeit, mit den großen Stars im Anschluss in Kontakt zu kommen,
  • der Gelegenheit für kleinere Firmen, sich als Aussteller oder im Pitch zu präsentieren, zu netzwerken oder Visitenkarten auszulegen
  • und Diskussionen wie das Startup-Panel.
Business-Tinder: Visitenkarten hängen nebeneinander und untereinander an einer Schnur

Tinder für Business: Visitenkarte abgeben und sich finden lassen

In Letzterem nennt Dominic Brenner den Insight, dass im E-Commerce für B2B (Business to Business) großes Potenzial stecke – siehe SAP oder Siemens – da in diesem Markt einmal nicht die USA absolut tonangebend seien und die meisten sich eben auf B2C (Business to Customer) konzentrieren würden. B2B – ein Wort, das einem Zuschauer spontan einen überraschenden wie belustigenden „Woooo“-Zwischenruf entlockt, was Moderator Felix Thönnessen kurzzeitig aus der Fassung bringt.

Scherer: „Intelligenz ist unser Feind“

Im Fokus an diesem Wochenende stehen die Themen der inadäquaten Schulbildung, die Coach und Speaker Thaddaeus Koroma sogar mit Zuständen wie in einer Sekte vergleicht („Ich darf nicht mit meinem Sitznachbarn reden, obwohl wir uns auf dem Weg in die Zukunft gegenseitig unterstützen könnten.“), das Scheitern und die Sicherheit sowie unser typisch deutsches Grübeln und „Unlocker-Sein“, weil wir seriös herüberkommen wollen.

Zu Zweifeln und Grübeln hat auch Hermann Scherer seine ganz eigene Meinung. „Intelligenz ist unser Feind“ und „Wer Zweifel beerdigt, wird es schaffen“ sind zwei der Kernaussagen seiner rasant-schnellen und urkomischen Präsentation, die das Publikum mit stehenden Ovationen feiert. Im persönlichen Gespräch erläutert er mir, was er damit meint. „Natürlich ist Intelligenz wertvoll und sinnvoll. Doch manchmal sind wir intelligent genug oder zu intelligent, um ganz viele Gründe dafür zu finden, warum etwas nicht klappen kann.“

Speaker Hermann Scherer bei seiner Präsentation

Hermann Scherer: Die Geschichte beginnt mit einem Erbe von fünf Millionen D-Mark Schulden

Perfektionismus als Ursache für mangelnden Pragmatismus. „Wir haben in Deutschland ein Umsetzungsproblem. Menschen, die eine gute Mischung aus Nachdenken und Pragmatismus finden, sind erfolgreicher“, so Scherer. Insbesondere bei der aktuellen Diskussion um die Wichtigkeit des „Why“, des „Purpose“ fürs eigene Unternehmen, werde es ihm manchmal zu bunt und dann dürfe auch mal losgelegt werden.

In der Not groß gedacht

Der renommierte Buchautor erzählt im knackevollen Themensaal „Entrepreneur Campus Stage“, wie er früh mit einer Bürde von 4,8 Millionen D-Mark Schulden leben musste, die ihm sein Vater mit dem Erbe übertragen hatte. „Weil die Schulden und damit der Druck der Banken so groß waren, hatte ich keine Zeit, mir jahrelang einen Plan zurechtzulegen. Ohne dies hätte ich wahrscheinlich aber auch in der Folge niemals so groß gedacht.“ Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch sein lapidarer Spruch aus der Rede: „Zwei Jahre Scheiße fressen, den Rest des Lebens Champagner trinken. Das reicht. Die meisten wollen nur Bier.“

Der amerikanische Schulbus vor dem Eingang des Founder Summit 2019 im RheinMain CongressCenter Wiesbaden

Der School Bus vor dem Eingang des RheinMain CongressCenter in Wiesbaden

Fazit: Das Founder Summit hat sich auch in elitären Kreisen schnell herumgesprochen und ist in wenigen Jahren stark gewachsen. Zurecht, denn die Qualität der Speaker und Experten ist enorm, und das Publikum nimmt neben neuen Kontakten auch handfeste Inspirationen zu Jungunternehmertum, Existenzgründung und Persönlichkeitsentwicklung mit. Ein gelungenes Founder-Wochenende.